Freitag, 19. Februar 2021

Homeschooling oder der gigantische Spagat bei der Work-Life-Balance

 Ich bin dezent angepisst genervt! Und ehrlich, ich weiß nicht, wo mir gerade der Kopf steht.

Ich gehöre zu den Menschen in der Verwaltung, die täglich auf die Arbeit gehen. Im Sommer mit dem Rad, sonst mit der Straßenbahn und mit Bus. Derzeit ist Homeschooling und ich kann mit dem Auto auf die Arbeit fahren - das spart jede Menge Zeit und auch einige mögliche Infektionsquellen. Aber leider kann das Auto auf Arbeit nicht einfach vor der Tür parken. Alle 2 Stunden muss ich zur Parkuhr rennen, sonst gibt es einen Strafzettel. Und die netten Damen und Herren vom Ordnungsamt besuchen diesen Ort quasi täglich, gern auch mehrmals.

Ich fange extra früh auf Arbeit an, damit ich Mittags wieder gehen kann. Ja, und dafür nehme ich Gehaltseinbußen durch Teilzeitarbeit in Kauf. Mir kommt es tatsächlich so vor, als wenn man als Halbtagskraft ein Mitarbeiter zweiter Klasse ist. Einige (wichtige) Informationen kommen  nicht bis zu mir. Es ist ja nicht so, dass ich halbtags aus Jux und Dollerei arbeite - Ich mache es, weil ich Kinder habe. Ich mache es, weil ich meine Kinder liebe. Ich mache es, weil ich Zeit mit meinen Kindern verbringen will. Und auch, wenn ich mich mit dem Satz jetzt mächtig unbeliebt mache: Arbeit ist derzeit für mich an zweiter Stelle, ein notwendiges Übel. Wobei das nicht grundsätzlich so ist: Ich liebe es, wenn ich auf Arbeit gefordert bin. Wenn ich anderen helfen kann. Wenn meine Arbeit gewertschätzt wird. Wenn ich was fertig bekomme. Ich würde sagen, ich bin echt loyal - war ich schon immer, bin ich noch immer und werde ich wohl immer sein.


ABER

ich hasse den SPAGAT zwischen Arbeit und Familie. Und jetzt mit Corona und Homeschooling wird es nicht weniger, im Gegenteil: Es nimmt jetzt eine Größenordnung ein, die mich schier erdrückt.

Extra früh aufstehen

extra früh anfangen

extra früh gehen - immer mit dem Gedanken, die anderen meinen ich mache mir dann einen schönen freien Nachmittag

extra schnell heimfahren,

um dann extra lange an den Hausaufgaben zu sitzen - stundenlang! Dabei bemüht sich mein Mainzelmann nach Kräften, mit beiden Kindern die Hausaufgaben zu erledigen, solange ich noch unterwegs bin. Es ist teilweise unglaublich viel Stoff, der bei beiden Kindern durchgenommen wird. Es gibt zum Glück gut strukturierte Aufgabenblätter, wo genau steht, welche Aufgabe an welchem Tag von welchem Kind erledigt werden muss. Aber mal ehrlich: Welches Kind mag das schon gern? Wir stehen hinter den Kindern mit der Peitsche und treiben sie an, teilweise müssen wir drohen, damit sie noch etwas hinbekommen. Klar, irgendwo im Hinterkopf möchte man einfach alles schaffen, was als Tagesaufgaben vorgegeben wird - auf der anderen Seite sind wir keine Lehrer. Der normale Wahnsinn mit Arbeit, Kind, Haushalt, Wäsche, Putzen, Einkaufen läuft ja weiter. Eigentlich ist "nur" Freunde treffen weg gefallen - toll, das einzige, was einem vor dem Wahnsinn bewahrt! Gerade jetzt in den dunklen Wintermonaten ist es schwer, dann nach der Arbeit, nach dem Homeschooling noch raus zu gehen - es wird zu früh dunkel - und ich bin teilweise um 16 Uhr am ENDE meiner Kräfte. Der Kopf raucht, der Hals tut weh, der Rücken schmerzt. 

Zeit für mich? Ein unerfüllbarer Traum.

Sport? Naja, immerhin wenn er bei den Kindern in den Tagesaufgaben vorkommt

Eheleben? bitte was?

Selbst der einfache Wunsch, abends im Bett mal ne halbe Stunde zu lesen, funktioniert nicht. Die Kinder sind komplett aus dem Rhythmus und gehen mit mir zusammen ins Bett. Wenn ich es mal um 21 Uhr schaffe, schlafen sie mir ein. Sollte ich es wagen mal bis 22:30 auf zu bleiben, sind sie es auch.

Work-Life-Balance? Ich glaube nicht, dass es tatsächlich funktioniert. Denn entweder ich bin Vollblutmutter oder voll im Berufsleben - bei diesem Balance-Akt schlingert man doch eh nur von einer Halbherzigkeit in die nächste. Von einem schlechten Gewissen ins andere. Wieso nur, muss man beides machen? Es sollte doch möglich sein im JETZT Mama zu sein, ohne schlechtes Gewissen, ohne Gewissensbisse, ohne monetäre Einbußen jetzt und im Alter. 

 

Ich brauche Me-Time! nicht täglich, einmal im Monat, einmal im Quartal - BITTE!

1 Stunde auf der Couch sitzen und Löcher in die Luft starren, ohne schlechtes Gewissen, dass der Wäscheberg will gefaltet werden, die nächste Waschmaschinenladung will gewaschen sein.  

1 Stunde allein spazieren/Nordic Walking, ohne dran zu denken, wenn dir jetzt nichts einfällt, kannst du später nicht einkaufen, dann kannste nicht kochen und dann gibt es nichts zu essen.

1 Stunde in die Wanne, statt Schwimmbad (wo ich es ja eh nur ins Nichtschwimmerbecken schaffe), aufwärmen, durchwärmen, die Knochen, die Seele - ohne an Rechnungen zu denken, die dringendst beglichen werden wollen. Oder wo man unberechtigter Weise ein Inkasso-Büro auf den Hals gejagt bekommt. (Das konnte ich nach nur 6 Stunden Telefonmarathon und zehn Briefen klären - manchmal denk ich, einfach die nicht berechtigten 80 Euro zahlen, wäre schmerzfreier gewesen - aber unfair und nicht gerecht)


Und auch heut: seit 6:25 Uhr auf den Beinen, 7:30 bis 12:45 auf Arbeit - seit 13 Uhr daheim und bis 16 Uhr Homeschooling - weder der Prinz noch die Prinzessin sind fertig. Weder sie noch er werden freiwillig auf die Idee kommen, die jeweils eine ausstehende Aufgabe zu erledigen. Die Augen brennen. Der Einkauf wartet, danach Essen kochen - hinterher werde ich mich dann anschreien lassen, damit die Prinzessin noch ihre 10 Minuten liest (was sie übrigens echt gut macht) und anschließend eine Zirkus-Challenge (muss mir noch das Tutorial auf Youtube ansehen) und der Prinz muss noch 10 Lernworte üben - 10 Lernworte, jedes Wort 5 Mal schreiben, es sind kurze Worte, aber er hasst es. Ich hasse es, dass er es hasst. Ich kann es ihm nicht schmackhaft machen.


Dann höre ich im Radio: Jeder der irgendwie kann, soll doch bitte ins Homeoffice gehen. Ich bin froh, wenn ich zur Arbeit gehen kann. ABER, wenn ich wirklich wieder mit Öffis fahren muss, weil die Grundschulen öffnen, WILL ich das Risiko, dem ich dort ausgesetzt werde, nicht eingehen. Ich frage mich, würde es mir helfen, wenn ich im Homeoffice wäre? Würde sich ein Kind mit ins Arbeitszimmer setzen und dort ruhig neben mir Mathe machen? Oder müsste ich die Tür schließen wie im Frühjahr im ersten Lockdown? Damals war nur der Prinz in der Schule, der Prinzessin war sterbenslangweil. PUH - sie hat dann mit noch 5 Jahren ein eigenes Tablet bekommen, weil sich keiner anders um sie kümmern konnte. Dinge, die ich NIEMALS tun wollte, die ich nicht gut heiße. Klar, gehören solche Medien inzwischen in den Alltag, aber mit 5 Jahren? So war die Situation. Im Anschluss kann man solch Maßnahmen doch nicht mehr revidieren. Oder man muss echt willensstark sein und Alternativen anbieten. Bedeutet aber, man muss sich bei den Alternativen aktiv einbringen. Ich frage mich, wie ich das aktiv noch auf die Reihe bekommen soll? Ich bin chronisch müde und ausgelauft, im absoluten Ungleichgewicht. Hilfe von Außen gibt es nicht. Notbetreuung in der Schule? Nein, natürlich nicht, geht ja irgendwie. Sollte ich morgen plötzlich für 2 Wochen frei haben - Urlaub auf Malle oder so - ich wäre garantiert die erste Woche KRANK - Peng - ausgeknockt. Derzeit kann ich mir das nicht erlauben, also funktioniere ich einfach weiter.

Nun denn, das Auskotzen musste heut sein - ich werde mal ein paar Tage darüber nachdenken, ob ich das überhaupt veröffentliche oder einfach wieder lösche

Ich denk, es gibt einige, wo es ähnlich läuft wie bei mir, wie bei uns. 

Ich weiß auch, dass ich, dass wir das schaffen werden. Wir werden 2020/2021 nicht nur mit Corona verbinden. Wir haben Geocaching angefangen, wir haben Schule angefangen, wir haben Schulwechsel hinter uns, wir als Familie bleiben eine Einheit. Derzeit halt eine müde Einheit. Extrem müde Einheit. 


Zu guter Letzt, werde ich euch mein Motto anvertrauen. Es hat lange gebraucht, bis ich überhaupt gewusst habe, was mein Motto ist oder sein könnte:


Aufgeben ist keine Option!

 

Zum Gück habe ich bereits gelernt, mich an kleinen Dingen zu erfreuen und daraus Kraft für den Rest des Tages zu tanken. Darüber werde ich aber getrennt schreiben - es ist eh schon viel zu viel Text geworden.

1 Kommentar:

  1. Liebe Sonja,

    diese Zeit kostet so unendlich viel Kraft! Ich bewundere Eltern, die den Spagat zwischen Büro / Heimbüro und Heimbeschulung schaffen.

    Inzwischen habe ich nach den Berichten der Kollegen mit Kindern den Eindruck, die Lehrer geben viel mehr Stoff auf als sonst. Eine Schulstunde mit x Kindern / Klasse entspricht halt nicht einer Stunde Heimbeschulung, wo es quasi eine Einzelbeschulung ist.

    Ich fahre auch mit dem Auto ins Büro, um der Ansteckung im ÖPNV zu entgehen, denn egal, wie ich meine Arbeitszeit an meinem einem Bürotag lege, auf einer Fahrt ist es voll, weil entweder Schulbeginn oder Schulschluss ist. Also Auto bis Mai, solange läuft ein günstiges Angebot im Parkhaus, und dann mal sehen. Die Parksituation bei uns ist ähnlich: Wer nicht das teure Parkhaus zahlt, muss alle zwei Stunden die Parkuhr füttern. Eine Kollegin stellte gerade fest, dass ein Strafmandat halb so viel kostet wie sechs Stunden Parkhaus, und nun überlege ich, denn aktuell nutze ich das Parkhaus ...

    Weiterhin viel Kraft und bleibt gesund! Sonnige Grüße von Sabine

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