Dieses Jahr verlief irgendwie komplett
anders, als wir das gedacht haben, oder uns je hätten vorstellen können.
Ich bin durch und durch Optimist. Ich glaube, für irgendetwas ist es
gut, was gerade in diesem Jahr passiert ist, gerade um uns herum
passiert. Und ich suche mir dabei immer die positiven Momente heraus,
denn auch diese gibt es - im Kleinen, wie auch im Großen.
Ich schreibe euch mal meine Erkenntnisse zu diesem Jahr auf - die Reihenfolge ist ohne Wertung - frei nach dem Motto, was mir gerade durch die Birne wuselt. Mit Sicherheit gibt es noch viel viel mehr.
Erkenntnis - Mainzelmann:
Wir lieben uns noch immer. Und das obwohl wir jetzt schon so viele Wochen und Monate aufeinander hocken. Klar, die eine oder andere Meinungsverschiedenheit gibt es auch bei uns. Aber das dauert zum Glück nie zu lange und dann klärt sich das Missverständnis auf. Wir wollen nämlich meist dasgleiche, nur unterschiedlich schnell oder über unterschiedliche Wege.
Erkenntnis - Homeschooling:
Homeschooling
ist nichts für mich und die Kinder. Homeschooling und "nebenbei" (und
sei es nur halbtags) arbeiten, passt beim besten Willen nicht zusammen.
Weder zeitgleich noch nacheinander. Das eine bedeutet, man macht beides
nicht gut und letzteres bedeutet, man macht den ganzen Tag nichts
anders.
Erkenntnis - Homeoffice:
Reines
Homeoffice ist gar nichts für mich. Ich brauche Menschen um mich herum.
Ein netter Gruß, ein freundliches Nicken, ein kurzer Klatsch. Das fällt
im Homeoffice weg. Auch der (lästige) Weg zur Arbeit. ABER dieser Weg
beinhaltet Bewegung: laufen oder radfahren. Da es mir derzeit daheim
schwer fällt Sport in den Alltag zu integrieren, ist das ein sehr nettes
Gadget.
Erkenntis - Digitale Magie:
Durch das Homeoffice hat meine Prinzessin schon sehr früh ihr eigenes Tablet bekommen. Und auch der Prinz nutzt inzwischen seinen eigenen PC. Die beiden lernen damit unglaublich schnell gut umzugehen. Erschreckend ist für mich allerdings: es ist superschwer die Kinder von dieser digitalen Magie wegzulocken. Sie "schauen" viel mehr als ich jemals wollte. Sie haben ihre Spiele, die sie spielen. Sie haben ihre Sendungen, die sie gern sehen. Sie haben sogar Lern-Apps, die sie nutzen. Der Prinz spricht inzwischen so gutes Englisch, dass seine neue Lehrerin fragte, ob wir ihn zweisprachig erziehen (und sie uns beichtete, dass sie ihm in den nächsten Jahren wohl nichts beibringen kann). Die Prinzessin kann nach einem halben Jahr Schule schon etliche "Spielenachrichten" lesen. Weg vom "Glotzen" klappt eigentlich derzeit nur, wenn ich mich ganz aktiv einbringe: entweder durch einen Ausflug oder durch aktives Bearbeiten, damit sie mit mir spielen oder lesen oder oder oder. Aber auch ich bin nicht immun gegen die digitale Verführung. Noch nie in meinem Leben habe ich so dauerhaft ein Spiel am Handy gespielt, wie die letzten Monate. OK, Gefahr erkannt - jetzt kann ich an Gefahr gebannt arbeiten. Drückt mir die Daumen.
Erkenntnis - Radfahren:
NIEMALS
hätte ich gedacht, dass ich sieben (!) Monate komplett mit dem Rad zur
Arbeit fahre. Die Ausnahmen sind wirklich Ausnahmen gewesen und belaufen sich im
einstelligen Bereich. Schlechtes Wetter ist hier Einstellungssache.
Kalt, nass, heiß, dunkel.... zumindest auf die einfache Strecke von 9km
aushaltbar. Und bis auf ein Unfall mit einem schicken blauen Bluterguss
am Arm hat es wunderbar geklappt. Seit 1.12. bin ich nicht mehr mit dem
Rad (sondern mit Öffis) gefahren und es fehlt mir. Auch wenn ich weiß, dass es im neuen Jahr
wieder morgendliche Überwindungen kosten wird, im dunklen, müde, bei
Kälte aufs Rad zu steigen.
Erkenntnis - Öffis:
In
den Öffentlichen Verkehrsmitteln ist es morgens vor dem großen Berufs-
und Schülerverkehr gar nicht so voll. Man wird aus dem Bett gezwungen,
man wird zur Pünktlichkeit erzogen und das eine oder andere Mal zur
morgendlichen Joggingrunde gezwungen. Da erhält das Motto: Wir bewegen
Mainz eine ganz andere Bedeutung.
Erkenntnis - Termine:
Es
ist gar nicht schlimm, keinen vollen Terminkalender zu haben. Es ist
sogar richtig schön, einfach mal mit dem Arsch daheim zu sitzen und
niemanden zu treffen. Und hier rede ich tatsächlich von den Menschen,
die ich wirklich gerne treffe.
Erkenntnis - Telefonat:
In einem Telefonat redet man viel intensiver als bei einem Treffen, bei dem die Kinder um einen herumtoben. Aber mir fehlt das gemeinsame Kaffee trinken dabei. Per WhatsAppVideo oder Skype ist einfach nicht dasselbe. Mir scheint es auch sehr ruckelig und instabil - da geht schon wieder sehr viel Vertrautheit verloren.
Erkenntnis - Läuse:
Läuse
sind das kleinere Übel gegenüber Corona-Viren. Mit Läusen habe ich im
Januar und quasi den gesamten Februar gekämpft. Täglich beide Kinder und
mich ausgebürstet - 90 Minuten wurden so in Ruhe verbracht. Meist vor
dem Fernseher, gemeinsam. Aber es gab in der Bürstenzeit auch ganz tolle
intensive Gespräche. Die Prinzessin fragt ab und an nach, ob ich mal
wieder nach Läusen schauen möchte, sie liebt es, wenn ich ihr das Haar
ewig lang ausbürste.
Erkenntnis - Urlaub:
Urlaub
geht auch gut von daheim. Rheinland-Pfalz ist wirklich schön und bietet
genug schöne Ziele. Mit Kindern muss es gar nicht großartig sein, ein
schöner Spielplatz am Ende der Fahrt langt auch.
Erkenntnis - Flugzeug:
Fluglärm fehlt mir kein bißchen.
Erkenntnis - Zeitgefühl:
Obwohl
wir so unglaublich viel Zeit daheim verbracht haben, ist es hier
niemals langweilig geworden. Gefühlt hatte ich oft für viele Dinge viel
zu wenig Zeit. Oder anders: Ich nehme mir sehr gern und sehr oft Zeit
mit und für die Kinder, und so bleiben Dinge, die ich tun muss einfach
auch mal liegen. Ich denke mir immer: Die Kinder werden sich an tolle
Spiele, an Lachen, an Lesen, an Ausflüge erinnern, aber niemals daran,
wie sauber der Badezimmerspiegel gewesen ist. Deswegen brauchen auch einfach die Renovierungen sehr sehr lange bei uns. Noch ist es jedenfalls kein Verhindern des Endes, weil ich noch unglaublich viele Ideen in meinem Kopf habe.
Erkenntnis - Erkältung:
Durch den ganzen Abstand und Händewaschen und Maske sind wir letztes Jahr wirklich gut durch das gesamte Jahr gekommen. Von Erkältungen sind wir weitgehend verschont geblieben. Keine Schnupfnase im November und Dezember, das ist echt Luxus. Und es spart viel Geld, weil ich nicht zigtausende Taschentücher kaufen muss.
Erkenntnis - Silvester:
Silvester ohne Raketen, Feuerwerk, Geballers und Krach - JA! das ist wunderbar. Eines der vielen Dinge, die ich wahrlich gern beibehalten würde. Vor zig Jahren (das muss so Mitte der 80er gewesen sein, war ich über Weihnachten/Silvester in Wales. Eine schreckliche Erfahrung, weil es Heiligabend keine Geschenke gegeben hat und dann Silvester: Als junges Mädchen wurde ich mit in die Kneipe genommen, damals wurde noch drinnen geraucht - irgendwann bin ich deswegen in der Fremde sogar allein in die Ferienunterkunft zurück gelaufen. ABER: Um Mitternacht stellten sich alle im Kreis auf und sagen ein Lied, danach wurde getanzt. Das war wirklich schön. Und schon damals hätte ich das gern mit nach Deutschland übernommen. Klar, sehe ich mir auch gern die Raketen an. Aber der Krach, der Gestank und vor allem dieses "Ich muss bis Mitternacht wach bleiben", "Ich muss Alkohol trinken, damit ich die anderen alkoholisierten Mitfeiernden ertragen kann", "Ich muss auf Bestellung an dem Tag fröhlich sein" - NEIN, das ist so gar nicht meines.
Erkenntnis - LRS und ADHS:
Der
Prinz hat eine Leserechtschreibschwäche, gepaart mit ADHS. Was auch
immer ADHS ist, diesen Punkt klammere ich jetzt einfach einmal aus.
Leserechtschreibschwäche ist ein richtiges Arschloch und wer kein
eigenes Kind mit Leserechtschreibschwäche hat, kann niemals wirklich
verstehen, was Eltern hier zusammen mit dem Kind durchmachen. Das Kind
will lesen lernen und es bekommt keinerlei Erfolge. Dann endlich ein
Erfolg, aber die gesamte Klasse ist längst viel weiter. Förderung über
die Schule oder über den Staat kann man an der Stelle komplett
vergessen. Wir merken jetzt mit der Prinzessin, wie leicht Kindern ohne
Leserechtschreibschwäche lesen lernen fallen kann. Der Prinz im vierten
Schuljahr und sie im ersten haben in etwa das gleiche Leselevel. Nein,
nicht ganz. Er kennt inzwischen alle Buchstaben und das verflucht sie
noch. Beide fangen jetzt gleichzeitig an, mal ein Schild zu entziffern.
Selbstgezahlte Lerntherapie hilft und wird heiß geliebt. Auch ein
freiwilliges Wiederholen der dritten Klasse, um Druck rauszunehmen ist
extrem hilfreich. Ebenso wie ein zeitgleicher Schul- und Lehrerwechsel.
Wir lesen alle (inzwischen) gern, aber es ist wirklich schwer 10 Minuten
für die Prinzessin, 10 Minuten für den Prinzen und dann noch Zeit zum
Vorlesen zu finden. Meist sind es also drei Bücher, die parallel gelesen
werden.
Erkenntnis - Kita:
Bis zum Halbjahr war die Prinzessin noch in der Kita. Und ich danke den Erzieherinnen wirklichh herzlich, dass sie sich für die Kinder so viele schöne Dinge haben einfallen lassen, auch als sie daheim gewesen sind. Einiges hatte ich hier im Blog auch vorgestellt.
Erkenntnis - Bücherei:
Wir
lieben Büchereien. Wir haben von anfang an mit den Kindern Büchereien
besucht und Bücher ausgeliehen. Wir haben Büchereiausweise in Mainz und
in Berlin. Und die Bücherei in Mainz hat im Lockdown eine ganz tolle
Möglichkeit geschaffen, sich per Mail Bücher zu bestellen und dann
abzuholen. Rückgabe erfolgt über eine Box. Und ganz lieben Dank an die
Mitarbeiterinnen in der Bücherei, die wirklich immer ganz hervorragend
passende Bücher ausgesucht haben.
Erkenntnis - Berlin:
Mir fehlt Berlin! Ich bin zwar nun schon seit 1998 in der bunten Repulik sesshaft geworden, aber mein Herz hat immer einen Koffer in Berlin - auch noch nach 22 Jahren. Normalerweise bin ich dreimal im Jahr (oder auch öfter) eine Woche (oder auch länger *g*) in Berlin. Es ist natürlich einfach, wenn die Mama noch mein altes "Kinderzimmer" zur Verfügung hat.
Erkenntins - Berliner Flughafen:
Apropos Berlin. Berlin hat es nun endlich geschafft den Hauptstadtflughafen von Tegel zum Arsch der Welt zu verlegen. Nicht, dass ich den Flughafen wirklich genützt hätte, oder die Mama. Aber sollte sie je wieder verreisen wollen, braucht sie wohl von daheim bis zum Flughafen so lange, wie der Flieger nach Malle *lach*. Das ist nur mit Öffis zu machen, Auto parken oder Taxi ist hier nicht mehr bezahlbar. Mal sehen, wenn sich der ganze Flugverkehr wieder "normalisiert", ob die Fluggesellschaften hierauf eingehen. Aber muss es denn wieder normal laufen? Muss man dienstlich für einen einstündigen Termin wirklich quer durch Deutschland fliegen?
Erkenntnis - allgemein:
Stress
für werdene Mamas führt zu mehr Frühgeburten. Stress unter der Geburt
führt zu mehr Kaiserschnitten - dieses entschleunigen ist unglaublich
hilf- und lehrreich.
Erkenntnis - allgemein:
Wenn
mehr daheim geblieben wird, kann nicht eingebrochen werden - gut für
uns, gut für die Versicherungen, schlecht für die Schurken
Erkenntnis - allgemein:
Die Paketzusteller haben immer mehr zu tun, aber es wird leichter für sie, weil sie oft die Sachen abstellen dürfen bzw. die Belieferten daheim antreffen.
Erkenntnis mit Entsetzen:
Trotz 18km Rad am Tag an 5 Tagen die Woche und das 7 Monate hat mich das blöde Corona 4kg gekostet... Nur leider nicht nach unten, sondern nach oben. Es liegt wohl auch daran, dass ich jetzt wieder mehr koche. Und auch wenn Eigenlob stinkt, es schmeckt mir. Ich genieße das Zaubern in der Küche. Ich liebe es, mit meiner Familie gemeinsam am Tisch zu sitzen und zusammen zu essen. Und so manches Mal gebe ich meiner Lust nach einem Nachschlag einfach nach - zu lecker!